"Mit Kunst-Stoff die Welt formen"

Pressestimmen

„.... Ein Tor geht auf, ein Tor geht zu. Dazwischen begleiten wir den Bildhauer Tony Cragg fünfundvierzig Minuten lang durch seinen Arbeitsalltag. Im Sommer diesen Jahres hat Anne Linsel den Künstler an verschiedenen Orten besucht und im Auftrag des Westdeutschen Rundfunk ein Filmporträt des seit mehr als zwanzig Jahren in Wuppertal lebenden Briten gedreht. Weiße Styroporgebilde geraten ins Bild. In einer geräumigen Shedhalle wird geschnitten und gestapelt, geklebt und geformt. Assistenten arbeiten an verschiedenen, großformatigen Skulpturen. Im Bild bleibt alles Fragment. Konzentriert wird mit Gips, Kunststoff und gesandstrahltem Glas hantiert. Die Mitarbeiter tragen Mundschutz und weiße Overalls. Zusammenhänge bleiben unklar. Aber darauf kommt es auch nicht an. Mit unschuldigem Blick streicht die Kamera über plastische Oberflächen und fängt die Laboratmosphäre einer der erfolgreichsten Bildhauerwerkstätten Europas ein. Und darum geht es in diesem Film.
Ungezwungen schaut er hinter die Kulissen. Ohne didaktischen Zug sieht man gelassen in ein Atelier, in dem rätselhafte Skulpturenwesen entstehen. Anne Linsel hat sich auf die Spur eines Künstlers gemacht, nicht um dessen äußeren Ruhm zu mehren, sondern um seine Arbeitsschritte und Gedankengänge festzuhalten. Daher kommt vor allem der Künstler selbst zu Wort. An fünf Drehorten in Wuppertal, Düsseldorf und London erlebt man Cragg im Umgang mit seinen Mitarbeitern. Geduldig gibt er Anweisungen, korrigiert, schlägt vor....
Eine der schönsten Einstellungen des Films zeigt den Künstler in London: Im Hof der Royal Academy, dessen Mitglied Cragg seit einigen Jahren ist, dirigiert er eine Großskulptur an ihren Platz. Im Hintergrund hält ein roter Doppeldeckerbus. Er trägt die Aufschrift "Out of this World"...
Anne Linsel legt in ihrem wohltuend unaufgeregten und sorgfältig geschnittenen Film den Ereigniszeitschnitt horizontal zur Gegenwart. Mit der Reflexion über die Werkentwicklung bleiben auch die Eitelkeiten der Außenwirkung ausgeschlossen. Craggs unermütliche Ausstellungstätigkeit, die eine eigene Verwaltung beansprucht, werden ebenso wenig thematisiert wie zahllose Aufträge im öffentlichen, internationalen Raum. Damit bleiben kommerzielle und pädagogische Aspekte, Cragg als Geschäftsmann oder als Professor an der Düsseldorfer Kunstakademie, ebenso ausgespart wie sein privates Leben. Nur einmal gerät seine junge Familie unkommentiert in einer Ausstellung ins Bild. Mit fünfzig jahren erscheint Cragg zu jung für Retrospektiven. Interessant ist, was er heute macht und zu sagen hat. Dabei ist eine Dokumentation entstanden, die ein authentisches Bild von einem der herausragenden Bildhauer am Anfang des einundzwanzigsten Jahrbunderts festhält. Eines Künstlers, der zwischen seinem Geburtsort Liverpool und seinem Atelier in Wuppertal weltberühmt geworden ist.“
Katja Blomberg
Frankfurter Allgemeine Zeitung, am 25. Oktober 1999