"Weltentwürfe"

"... Die große Zeit der Bühnenbildnerin Hanna Jordan fällt in die Jahre zwischen 1946, da sie ihr erstes Bühnenbild am Wuppertaler Theater für Gogols "Die Heirat" machte, und 1968, als die Hierarchien an den Theatern durch das Mitbestimmungsmodell durcheinandergerieten. In den Jahren danach wandte sie sich dem Musiktheater zu.
Hanna Jordan hält, und dies sicherlich mit einigem Recht, Demokratie und Kunst für unvereinbar. Auch eine Linke wie sie kann durchaus altmodische Grundsätze vertreten: "Wer künstlerisch arbeiten will, kann nicht mit sozialen Maßstäben antreten. Dann soll er zu Hause bleiben. Er wird nicht vermisst. Kunst ist nur so und nicht anders zu machen."
Von Ideologen hat sich die jetzt Siebenundachtzigjährige, ein original Wuppertaler Gewächs und bis zum heutigen Tag dort im Zoo-Viertel lebend, nie etwas sagen und schon gar nicht vorschreiben lassen. Und auf den Mund gefallen war sie sowieso nie.
Geburt, Erziehung und die deutsche Geschichte haben ihren Weg bestimmt. Als Tochter einer Jüdin musste sie in Nazi-Deutschland untertauchen. Als Quäkerin aus Überzeugung, die in Eerde/Holland die Internationale Quäker-8chule besucht hat - "Es wardas Paradies auf Erden" -, lernte sie schon früh Hilfsbereitschaft ohne Ansehen von Religions- oder ethnischer Zugehörigkeit kennen. Eindrücklich schildert sie die erste Jahresversammlung der Quäkergemeinschaft in Pyrmont im Jahre 1939: "Auf dem freien Platz vor dem Quäkerhaus nahm Margarete Lachmund meine jüdische Mutter vor aller Öffentlichkeit in den Arm, um ihr die Mitgliedschaft anzutragen!"
Ganz oben auf Jordans Prioritätenliste stehen Toleranz und Freiheit. Da gab sie schon mal einem Peter Palitzsch kontra, den sie als Regisseur schätzte, nicht aber als Vertreter des sozialistischen Realismus auf der Bühne.
Hanna Jordans Bühnenbilder betrachtend, erschließt sich einem schnell ihre künstlerische Herkunft aus dem Expressionismus und Kubismus. Die Schräge wie auch sich verjüngende Perspektiven gehören zu ihren einprägsamen Stilmitteln - auch weil sie dem Zuschauer die Sicht erleichtern. Palitzsch jedoch bestand allzeit auf dem rechten Winkel hielt jede optische Illusion für Lüge.
Palitzsch gehörte zu einer Reihe von Regisseuren mit denen Jordan arbeitete und die, obgleich unterschiedlicher politischer Couleur, das Theater der fünfzigerer und sechziger Jahr prägten, allen voran Helmut Henrichs, dann Rudolf Noelte, mit dessen Tschechow-Inszenierungen, den "Drei Schwestern" und dem "Kirschgarten" sie Theaterlegende wurde. "Nach zwei Arbeiten mit Noelte plus Wiederholungen der Inszenierungen auf anderen Bühnen hatte ich von ihm gelernt, was es für mich von ihm zu lernen gab. Eine Fortsetzung wäre für ihn wie für mich sicher weder sinnvoll noch notwendig gewesen", schreibt sie sehr lapidar. Zu neuen Ufern: Sie wurde ein Pionier des Fernsehens.
Das alles kann man in dem Buch nachlesen, das die Kulturjournalistin Anne Linsel Hanna Jordans "Weltentwürfen" gewidmet hat. Es ist eine interessante Mischung aus Geschichte und Geschichten geworden, was Linsel da zusammengetragen und im Gespräch notiert hat. Dazu gehören auch etliche Texte von Hanna Jordan selbst. Eine ästhetische Einordnung ihrer Arbeit im Verhältnis zu anderen Bühnenkonzepten ihrer Zeit hätte man allerdings gern gelesen. Ein, Register im Anhang, ein Stichwortverzeichnis würden die Suche nach Personen, Theatern und Begebenheiten wesentlich erleichtern."
Eva-Elisabeth Fischer
Süddeutsche Zeitung, am 23. Febrar 2007